Joachim Bandau

Die frühen Polyesterskulpturen 1967 – 1974
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In einem durch große Fenster lichtdurchfluteten Raum stehen zwei schwarze Sessel gegenüber und sind Schläuche miteinander verbunden.

In den späten 1960er-Jahren begann der Künstler Joachim Bandau (*1936 in Köln), monumentale Skulpturen aus dem noch neuen Material Polyester zu schaffen. Mit ihren betörend glänzenden Oberflächen, gewunden-biomorphen Formen und technoiden Attributen verhandeln sie das hybride Verhältnis von Mensch und Maschine, von Körper und Technologie, von wissenschaftlichem Fortschritt und den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs.

In enger Zusammenarbeit mit dem Künstler wird in dieser Ausstellung eine Auswahl von zentralen Werken dieser frühen Schaffensphase präsentiert, die ihre Relevanz sowohl für zeitgenössische Kunstpraktiken als auch für die Reflektion politischer Fragestellungen bis in die Gegenwart behalten haben. Als Ausgangspunkt seiner Arbeiten dienten Bandau zumeist Kleiderpuppen, die er zersägte, mit Polyester überzog und mit technischen Versatzstücken wie Schläuchen, Griffen oder Armaturen kombinierte. Die monströsen Neuschöpfungen zeigen sich als Ausdrucksträger einer Zeit, die politisch geprägt war von der Sorge um die Demokratie und die Bürgerrechte in der Bundesrepublik: Das Werk „Großes weißes Hörchelmonument“ aus der Sammlung der Kunsthalle Mannheim bildet eine künstlerische Reaktion auf den Abhörskandal von 1963 und den technischen Übergriff auf das Privatleben des Einzelnen. Die Regierung hatte in großem Umfang ihre Bürger*innen telefonisch verfassungswidrig überwachen lassen. Das Wort „Hörchel“ bezieht sich in wortspielerischer Weise auf den damaligen Innenminister Hermann Höcherl, ein einstiges NSDAP-Mitglied, der in diesen politischen Skandal verstrickt war. Die abstehenden Arme der Figur sind eine ironische Anspielung auf dessen Aussage, dass er und seine Beamten schließlich „nicht jeden Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“ könnten.

Die hier präsentierten Skulpturen sind mit einer Vision des entfremdeten Körpers aufgeladen, der durch moderne Technologien gleichzeitig geschützt und eingeschränkt wird. Bandau bezeichnete diese Werke immer wieder als Monstren: „Wir glauben, die Monstren seien außer uns, die Monster seien die Anderen. Die Deformationen der Gestalten und Charaktere lassen uns vergessen, dass es sich hier um Personifizierungen unserer subjektiven und kollektiven Probleme handelt, um die Verdrängung unserer eigenen Existenzangst und die Übertragung dieser Ängste auf andere.“

Joachim Bandau studierte von 1957 bis 1960 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. 1977 nahm er an der documenta 6 in Kassel teil. Er hatte Professuren an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (1982-1986) und der Kunstakademie Münster (1988-2001) inne. 

Kuratorin: Luisa Heese

Programm

10:30 Uhr / 60 Min.
Do. 10.07
Öffentliche Führung zzgl. Eintritt

Themenführung "Joachim Bandau"

Information zum Termin

In den späten 1960er-Jahren begann der Künstler Joachim Bandau (*1936 in Köln), monumentale Skulpturen aus dem noch neuen Material Polyester zu schaffen. Mit ihren betörend glänzenden Oberflächen, gewunden-biomorphen Formen und technoiden Attributen verhandeln sie das hybride Verhältnis von Mensch und Maschine, von Körper und Technologie, von wissenschaftlichem Fortschritt und den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs.


In enger Zusammenarbeit mit dem Künstler wird in dieser Ausstellung eine Auswahl von zentralen Werken dieser frühen Schaffensphase präsentiert, die ihre Relevanz sowohl für zeitgenössische Kunstpraktiken als auch für die Reflektion politischer Fragestellungen bis in die Gegenwart behalten haben. Als Ausgangspunkt seiner Arbeiten dienten Bandau zumeist Kleiderpuppen, die er zersägte, mit Polyester überzog und mit technischen Versatzstücken wie Schläuchen, Griffen oder Armaturen kombinierte. Die monströsen Neuschöpfungen zeigen sich als Ausdrucksträger einer Zeit, die politisch geprägt war von der Sorge um die Demokratie und die Bürgerrechte in der Bundesrepublik: Das Werk „Großes weißes Hörchelmonument“ aus der Sammlung der Kunsthalle Mannheim bildet eine künstlerische Reaktion auf den Abhörskandal von 1963 und den technischen Übergriff auf das Privatleben des Einzelnen. Die Regierung hatte in großem Umfang ihre Bürger*innen telefonisch verfassungswidrig überwachen lassen. Das Wort „Hörchel“ bezieht sich in wortspielerischer Weise auf den damaligen Innenminister Hermann Höcherl, ein einstiges NSDAP-Mitglied, der in diesen politischen Skandal verstrickt war. Die abstehenden Arme der Figur sind eine ironische Anspielung auf dessen Aussage, dass er und seine Beamten schließlich „nicht jeden Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“ könnten.


Die hier präsentierten Skulpturen sind mit einer Vision des entfremdeten Körpers aufgeladen, der durch moderne Technologien gleichzeitig geschützt und eingeschränkt wird. Bandau bezeichnete diese Werke immer wieder als Monstren: „Wir glauben, die Monstren seien außer uns, die Monster seien die Anderen. Die Deformationen der Gestalten und Charaktere lassen uns vergessen, dass es sich hier um Personifizierungen unserer subjektiven und kollektiven Probleme handelt, um die Verdrängung unserer eigenen Existenzangst und die Übertragung dieser Ängste auf andere.“


Joachim Bandau studierte von 1957 bis 1960 an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. 1977 nahm er an der documenta 6 in Kassel teil. Er hatte Professuren an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (1982-1986) und der Kunstakademie Münster (1988-2001) inne. 


Kuratorin: Luisa Heese


17:00 Uhr / 45 Min.
Mi. 23.07
Öffentliche Führung zzgl. Eintritt

Kuratorinnenführung "Joachim Bandau" mit Luisa Heese

Information zum Termin

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