nicht ausgestellt
Einstieg
Anselm Feuerbach verarbeitet in dieser Darstellung die Argonautensage und damit einen der berühmtesten Stoffe der griechischen Mythologie, indem er Medea formatfüllend in Szene setzt. Doch warum verbirgt die zauberkundige Königstochter den Kopf in ihrem linken Arm und wendet sich von uns ab? Der Dolch zu ihren Füßen gibt darauf Antwort. Medea rächte sich an ihrem Mann Jason, der sie für eine andere Frau verließ, indem sie ihre eigenen Söhne tötete.
Feuerbach konzentriert sich in seinem am klassischen Ideal orientierten Bild, das ruhig und ohne dramatische Effekte erzählt, aber nicht auf den Augenblick kurz vor dem Kindermord, sondern auf den Moment danach – der Dolch scheint gerade ihrer Hand entfallen. Statt uns Medea als wilde Furie und Zauberin zu zeigen, stellt er sie als tiefmelancholische Frau dar und rückt die emotionale Zerrissenheit seiner Figur in den Vordergrund. Auf diese Weise lässt er die gesamte Tragik des Stoffs aufleben, ohne den Mord selbst zu zeigen. Sein Gemälde bleibt ganz auf das seelische Erleben und nicht auf eine expressive Handlung ausgerichtet.
Einstieg
In this full-frame depiction of Medea, Anselm Feuerbach explores the Argonaut legend, one of the most famous subjects of Greek mythology. But why, with her magical powers, is the king’s daughter hiding her face in her left arm and turning away from us? The dagger at her feet provides the answer. Medea has just taken her revenge on her husband, Jason, who left her for another woman, by killing her own sons.
In this painting, oriented on the classical ideal, Feuerbach chooses to depict, in a quiet manner, devoid of dramatic effects, the moment immediately following the infanticide—for the dagger appears to have has just dropped from her hand—and not the moment prior to the deed. Instead of portraying Medea as a wild Fury and sorceress, he presents us with a deeply melancholy woman, placing her emotional pain in the foreground. In so doing, he brings the whole extent of the tragedy to life, without showing the murder itself. His painting lives from the depiction of an emotional state—as opposed to an expressive act.
Kunsthalle Mannheim
Transkription
Die junge Frau wirkt verzweifelt, finden Sie nicht? Niedergeschlagen vielleicht, tieftraurig, wie sie da mit dem Kopf von Ihnen abgewandt sitzt. Den linken Arm hat sie vor das Gesicht geschlagen. Doch was ist das? Ein Dolch am Boden unter ihrem Fuß! Was ist mit ihr passiert? Anselm Feuerbach verarbeitete in Medea mit dem Dolche die Argonautensage aus der griechischen Mythologie. Dort wird Medea als zauberkundige Königstochter von ihrem Mann verlassen. Aus Rache tötet sie ihre eigenen, zugleich die gemeinsamen Söhne. Das ist es also, was auf ihr lastet. Die Schwere des Mordes an den eigenen, unschuldigen Kindern . Es scheint, als sei der Dolch gerade ihrer Hand entglitten. Feuerbach, einer der bedeutendsten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts, erzählt mit seinem Bild ruhig und ohne dramatische Effekte. Viel schwerer als der Moment kurz vor dem Kindermord wiegt der danach. Die emotionale Zerrissenheit können Sie förmlich vom Gesicht der Medea ablesen. Feuerbach hätte sie als wütende Furie und Zauberin zeigen können. Stattdessen stellt er sie als tiefmelancholische Figur dar. Er bildet die ganze Tragik der Legende ab, ohne die Tat selbst zu präsentieren. So rückt er das seelische Erleben in den Vordergrund. Die eigentliche Handlung, der Mord, verblasst vor den überwältigenden Emotionen.