© VG Bild-Kunst, Bonn 2018
(

Kunsthalle Mannheim / Kathrin Schwab

)

Ohne Titel

Untitled
1961

Georges Noël

(1924-2010)

Material / Technik
Marmormehl
Ölfarbe
textiler Bildträger
Kategorie des Exponats
Malerei
Gattung
Abstrakte Malerei
Erwerbungsjahr
2013
Maße
73,00 cm x 53,50 cm
Standort

Hector-Bau > Ebene 2 > Schaudepot

Hintergrund

Georges Noël gehört zu den bedeutendsten Vertretern des skripturalen Informel, das sich in den 1950er und 1960er Jahren in Europa und den USA entwickelte. Dreißigjährig zog Noël nach Paris, wo er sich fortan vollständig der abstrakten Malerei widmete. Dort traf er auf die erste Generation informeller Maler, die in existenzialistischer Manier die totale Freiheit der Subjektivität postulierten. Gemäß nihilistischer Auffassung kann allein das Sein dem Nichts entgegenstellt werden, weswegen es dieses auszudrücken gilt. Anders als der Großteil der Informellen, die in Öl arbeiteten, orientierte sich Noël an Jean Dubuffet und verwendete selbstgefärbten Sand, Leim und Marmormehl, um die gewünschte materielle Tiefe zu erreichen.

Das gesteigerte Bildkörpervolumen und die verdichteten Materialien lieferten ihm überraschende Momente. Der Widerstand des Materials erlaubte ihm, sich daran abzuarbeiten, steigerte die Energie, die Intensität und Konzentration seiner Arbeit und half ihm dabei, das Bewusstsein auszuschalten. Mit großer Geschwindigkeit krakelte und ritzte, zerfurchte und durchwühlte er die Bildoberfläche. Die figürliche Bildwelt interessierte ihn nicht, er suchte den Ausdruck seiner Subjektivität in der spontanen Geste abstrakter Kalligraphie zu »verschriftlichen«.

Noëls überlagernde Schriftbilder zeigen eine Verwandtschaft mit antiken, mehrfach beschrifteten Pergamenten (Palimpseste), wobei ihre Materialität eher an das Graffito urzeitlicher Höhlenmalerei erinnert. Im Gegensatz zu diesen historischen Schriftstücken nutzt Noël kein existentes Zeichensystem und vermittelt keinen objektiven Sinn. Vielmehr stellen die Arbeiten eine spontane Transkription des sowohl psychischen als auch geistigen Seins dar. Die Geste wird zum Übergang zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Sichtbarem und Unsichtbaren, die Begriffe verschmelzen in der Bewegung – eine Methodik, die an die surrealistische Écriture automatique erinnert.

Noël sollte dieser Bildsprache lebenslang treu bleiben, mit den Jahren tritt jedoch eine stetig deutlicher werdende Strukturierung durch einteilende Linien und Flächen hervor. Die Schriftzeichen entwickeln sich zu Geflechten und Bändern, nehmen schließlich geometrische Formen an und wachsen zu Reliefs heran.

Hintergrund

Georges Noël is one of the most important representatives of a scriptural Art Informel which developed in the 1950s and 1960s in Europe and the USA. At the age of thirty Noël moved to Paris, from which time he completely dedicated himself to abstract painting. It was here that he met the first generation of Art Informel painters, who in an existential manner postulated the total freedom of subjectivity. In accordance with their nihilistic ideas, only being can be opposed to nothingness, which is why the task is to give expression to this being. In contrast to the majority of Informalists who worked in oils, Noël oriented himself on Jean Dubuffet, employing self-colored sand, glue, and marble powder in order to achieve the desired material depth.

The increased volume of the picture corpus and the concentrated materials generated surprising moments. The material’s resistance facilitated a process of active engagement, increasing the energy, intensity, and concentration of his work, assisting him in switching of consciousness. At great speed he scribbled and scratched, furrowed and churned up the picture surface. He was not interested in the figurative pictorial world, attempting to give written expression to his subjectivity in the spontaneous gestures of abstract calligraphy.

Noël‘s layered calligraphic pictures bear a resemblance to antique parchments (palimpsests) written over several times, although their materiality is more reminiscent of the graffiti of prehistoric cave paintings. However, in contrast to these historic written documents, Noël does not use any existing sign system or communicate any objective meaning. Instead, his works represent a spontaneous transcription of both psychological and spiritual being. The gesture constitutes the point of transition between being and non-being, between the visible and the invisible, with the categories dissolving in the movement—a method reminiscent of the Surrealist Écriture automatique.

Noël remained faithful to this pictorial language throughout his life, however over the years a more clearly defined structure emerged through the use of dividing lines and areas. The characters become transformed into networks and stripes, ultimately assuming geometrical forms and growing into reliefs.

Creditline

Leihgabe des Förderkreises für die Kunsthalle Mannheim e.V. seit 2013; Schenkung durch Dr. Hanns-Dieter Hasselbach

Inhalt und Themen
Abstraktion
Ornamente
unregelmäßige Formen
Unordnung
bewegt (Gestik / Oberfläche)
Schrift
Informel
brown Braun
Beige
Zerkratzen
Linien
polychrom polychromatic
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