Gemeinfrei
(

Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas

)

Sculpture architecturale

Architektonische Skulptur
Architectural Sculpture
nach 1945

Otto Freundlich

(1878-1943)

Material / Technik
Bronze
Kategorie des Exponats
Skulptur
Gattung
Rundplastik
Abstrakte Skulptur
Beschriftung / Signatur
Signatur: bez. auf der Sockelplatte vorne links oben "Freundlich 6/6", darunter seitlich links "Otto Freundlich / Paris 1934-35", seitlich rechts "Susse Frères Paris"
Erwerbungsjahr
1996
Maße
128,00 cm x 69,00 cm x 43,00 cm
Standort

nicht ausgestellt

Einstieg

Mit seinen Gemälden und Plastiken zählt Otto Freundlich zu den richtungsweisenden Künstlern der Moderne. Zugleich gehört er zu den im Nationalsozialismus Verfolgten, deren Arbeiten ab 1933 aus deutschen Museen entfernt wurden. Seine »Architektonische Skulptur« zeigt einen eigensinnigen Weg in die Abstraktion. Ursprünglich war sie als 25 Meter hohe Großplastik angelegt. Die 1934/35 in Paris entstandene Skulptur setzt sich aus geometrisch-abstrahierten Teilen in kubistischer Manier zusammen. Allerdings lassen sich in ihr auch Spuren figurativer Körper finden, beispielsweise der hohe Obelisk, der helmartige Kegel und eine Art Thron im Vordergrund.

Diese Verknüpfung weckt figürliche Assoziationen und es entsteht eine spürbare Spannung: Kauert hier eine abstrahierte Figur am Fuß des Obelisken? Freundlichs Skulptur ist von einem architektonisch strengen Aufbau geprägt – das Wechselspiel organischer und konstruktiver Formen wiederum rückt diese Arbeit in die Nähe archaischer Plastiken.

Hintergrund

Zu den wichtigsten biografischen Stationen des Künstlers Otto Freundlich zählen Berlin, Köln und Paris. Durch seine engen Kontakte zur Berliner November-Gruppe, zu den Progressiven und dem Surrealisten-Kreis in Köln sowie seine Bekanntschaft mit den Pariser Kubisten und der Gruppe Abstraction-Création fand er insbesondere mit der Gattung Skulptur einen eigenständigen Weg zur Abstraktion. Auch die Begegnung mit der gotischen Kathedrale von Chartres prägte seine künstlerische Entwicklung hin zu einem Figurenstil, der sich aus geometrisch-abstrakten Segmenten in kubistischer Tradition, aus Dreiecken und Rechtecken aufbaute, wie die 1934/35 in Paris geschaffene »Architektonische Skulptur«. In der ursprünglich als etwa 25 Meter hohe Großplastik konzipierten Arbeit sind neben ungegenständlichen, kubischen und runden Elementen auch figurative Details, wie ein Obelisk, ein Helm und ein Thron erkennbar. Da Freundlich die Arbeit als architektonisches Monument geplant hatte, verzichtete er zugunsten der Fernwirkung auf eine Ausformulierung von Details und legte eine eindeutige Frontalansicht fest. So besteht die Grundkomposition seiner »Berg-Skulptur« aus der statisch geschlossenen Form einer sich nach oben verjüngenden Säule, die mit einer offenen, aus mehreren geometrischen Einzelteilen zusammengefügten Figuration kontrastiert. Im Zusammenhang mit dem deutlich erkennbaren Obelisken erscheinen die mehrfach gebrochenen Baukörper zu seinen Füßen einerseits wie eine sitzende Figur, andererseits erinnern sie aber auch an einen leeren Thronsessel mit einem Zierdach, das wie eine kegelförmige Mütze anmutet.

Im Vergleich zu anderen Arbeiten in Freundlichs nicht sehr umfangreichem plastischen Oeuvre ist diese Skulptur von einer architektonisch strengen Bauweise geprägt, die bereits für seine um 1910 entstandenen Köpfe bestimmend war. Die zeichenhafte, auf das Wesentliche reduzierte Dimension der Arbeit wird dabei durch weiche Kanten sowie eine bewegt strukturierte Oberfläche ausgeglichen. Das Wechselspiel zwischen organisch gewachsener und geometrisch konstruierter Form rückt die Skulptur zugleich in die Nähe frühgeschichtlicher plastischer Entwürfe. In den parallel entstandenen kunsttheoretischen Schriften charakterisierte Freundlich die Bildhauerei als »ein dauerndes Ringen zwischen ihrem konservativen Geist und ihrem revolutionärem Geist«. 1938 verdeutlichte er sein gesellschaftlich künstlerisches Anliegen in dem Text »Der bildhafte Raum« als Verbindung seiner universalen Vorstellungen von der Synthese der Künste mit ihrer sozialen Veränderung. Auch die »Architektonische Skulptur«, die Raum als wandelbares Medium definiert, repräsentiert als für einen öffentlichen Ort konzipierte Monumentalplastik das Ideal eines sozialen Gefüges.

Einstieg

With his paintings and sculptures, Otto Freundlich was a pioneer of modernist art. He was also among those artists persecuted by the National Socialists whose works were removed from German museums after 1933. His »Architectural Sculpture« manifests an individual approach to abstraction. Originally planned as a 25-meter-high, monumental sculpture, the work, produced in Paris in 1934/35, is composed of geometrically abstracted parts in the Cubist style. However, it also exhibits traces of figurative bodies, for example the tall obelisk, the helmet-like cone, and a type of throne in the foreground.

This combination awakens figurative associations and generates a manifest tension: Is this an abstract figure cowering at the foot of the obelisk? Freundlich’s sculpture is characterized by a strict architectural configuration, while the interplay of organic and constructive forms are more akin to archaic sculptures.

Hintergrund

Among the most important stations of Otto Freundlich’s life were Berlin, Cologne and Paris. Through his close contacts to the November Group in Berlin, to the Progressives and the Surrealist circle in Cologne and his acquaintance with the Cubists and the Abstraction-Création group in Paris, he followed his own individual path to abstraction, particularly in the field of sculpture. His encounter with the Gothic cathedral at Chartres also influenced his artistic development towards a figural style based on triangles and rectangles, on geometric, abstract segments in the Cubist tradition, such as his »Architectural Sculpture«, created in Paris in 1934/35. In this large sculptural work, originally planned to be some 25 metres high, one can make out figurative details as well as non-representational cuboid and round elements, including an obelisk, a helmet and a throne. Since Freundlich had planned the work as an architectural monument, he dispensed with the working out of details in favour of the long-distance effect, as well as determining a precise frontal view. Thus, the basic composition of his “mountain sculpture” consists of the statically closed form of a pillar, which tapers as it rises upwards and which contrasts with an open figuration formed from a number of individual geometrical components. In connection with the clearly recognisable obelisk, the building shell, fragmented in several places, appears at its feet, on the one hand, like a seated figure and, on the other, seems to evoke an empty throne with a canopy, which looks rather like a conical hat.

Compared with other works in Freundlich’s modest sculptural oeuvre, this work is characterised by a strong architectural form, which also determined the heads he created around 1910. The emblematic dimension of the work, reduced to the essentials, is compensated by its soft edges and roughly structured surface. The interaction between a form which has grown organically and one which has been constructed geometrically immediately places the sculpture in the vicinity of protohistorical sculptural objects. In his art-theoretical texts written at the same time, Freundlich describes sculpture as “a constant struggle between its conservative spirit and its revolutionary spirit”. In 1938, he explained his social artistic goals in the text »The Pictorial Space« as an alliance between his universal visions of a synthesis of the arts with social change brought about by this. As a monumental sculpture designed for a public space, the »Architectural Sculpture«, which defines space as a changeable medium that gives rise to sculpture, represents the ideal of a social structure.

Creditline

Erworben aus Mitteln des Museums-Shops 1996

Inhalt und Themen
Abstraktion
geometrische Abstraktion
Architektur
Kubismus
Schwere
geschlossene Form
Schwarz
bewegt (Gestik / Oberfläche)
glatt (Oberfläche)
matt (Oberfläche)
Vertikalität
kantig
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