Signatur: unten rechts "45 / F.LEGER"

Fernand Léger

(1881-1955)

Les plongeurs

Die Taucher
The Divers
1945
194,80 cm x 146,00 cm
Ölfarbe
textiler Bildträger
Ausstellungsraum

Hector-Bau > Ebene 2 > Kubus 5

Eigene Worte

»1940 arbeitete ich an meinem ›Tauchern‹ in Marseille«, bemerkt Fernand Léger. »Fünf oder sechs Menschen beim Tauchen. Dann fuhr ich in die Vereinigten Staaten, wo ich eines Tages in ein Schwimmbad ging. Die Taucher waren nicht mehr fünf oder sechs, sondern zweihundert zugleich. Da kenne man sich aus! Zu wem gehört der Kopf? Zu wem das Bein? Zu wem die Arme? Ich hatte keine Ahnung.«

»Daher malte ich die Glieder auf meinem Bild verstreut. Indem ich das tat, glaubte ich, viel wahrer zu sein als Michelangelo, wenn er das Detail der Muskeln jedes einzelnen Gliedes studiert. Die Figuren, die er in der Sixtinischen Kapelle gemalt hat, habe ich mir gut angesehen: sie fallen nicht, sondern hängen in allen Ecken des Bauwerks fest. Mann die Fingernägel von den Fussnägeln unterscheiden.«

»Was mich betrifft, so versichere ich, dass ich , als die Jungens von Marseille ins Wasser stürzten, keine Zeit mehr hatte, die Details zu registrieren; und meine Taucher: die fallen.«

(Auszug aus: „Dora Vallier, Kunst und Zeugnis: Gespräche mit Georges Braque, Joan Miró, Fernand Léger, Brancusi, Jacques Villon“. Mit Photos und Zeichnungen, Zürich 1961, S.64. Zitiert nach: Ausst.Kat: „Fernand Léger. Malerei im Raum“, Museum Ludwig 2016, S. 218)

Einstieg

Fernand Léger flieht zu Beginn des Zweiten Weltkriegs von Frankreich aus in die USA und lässt sich in New York nieder. Hier entdeckt er ein neues Themenfeld für seine Malerei. Während in seinen frühen kubistischen Arbeiten abstrahierte Darstellungen des Maschinellen vorherrschen, greift Léger jetzt Bewegungsmotive in mehrteiligen Serien auf: Fahrradfahrer, Tänzer und Taucher. In seinen New Yorker Arbeiten strebt er dabei weiterhin ein Gleichgewicht aus Linie, Farbe und Form an.

In Draufsicht zeigt er uns in »Die Taucher« ein chaotisches Gewirr aus schematisierten Körpern, gerundeten Farbflächen und bewegten schwarzen Linien. Körperlichkeit wird durch sanfte Farbverläufe angedeutet, doch wo ein Körper beginnt und ein anderer endet, ist schwer zu erkennen. Diese scheinbare Unordnung der Schwimmer interessierte Léger. Er verwandelt sie in ein organisches Spiel, in dem Farbe und Form sich von einem natürlichen Vorbild lösen, um einen eigenen reizvollen Rhythmus zu entwickeln.

Hintergrund

Im Hafen von Marseille machte Fernand Léger 1940 eine Beobachtung, die ihn zu einer ganzen Reihe von Gemälden und Skizzen anregen sollte. Unmittelbar vor seiner Überfahrt ins amerikanische Exil fiel der Blick des französischen Malers und Bildhauers auf Werftarbeiter, die sich fröhlich plantschend im Mittelmeer von der Hitze des Sommertages abkühlten. Die fließend-leichten Bewegungen ihrer Körper im Wasser faszinierten den Künstler derart, dass er sich nur wenig später an die malerische Umsetzung dieses Eindrucks machte.

Das Motiv der badenden Menschengruppe variierte Léger bis 1945 schließlich in seiner Serie der »Plongeurs«. Die 1945 entstandene Version aus dem Besitz der Kunsthalle bildet dabei den Abschluss dieser allesamt in den USA entstandenen Taucherbilder. Wie bei den anderen Darstellungen dieses Themas gelingt es auch beim Betrachten der Mannheimer Fassung zunächst nur mit Mühe, sich zu orientieren. Wie durch einen wilden Wirbel scheinen nicht allein die kräftigen Körperteile der dicht gedrängten Taucher durcheinander gebracht. Auch das Oben und Unten innerhalb des hochrechteckigen Bildfeldes ist kaum auszumachen. Den Eindruck der Richtungs- und Schwerelosigkeit erzeugen dabei nicht nur die Überlagerungen der schablonenhaft wiedergegebenen und schwarz umrissenen Schwimmer. Auch die großen Flächen reiner Farbigkeit und die dadurch entstehenden Kontraste tragen entscheidend dazu bei, die menschlichen Körper in Bewegung zu wähnen. Von den schwarzen Feldern des Hintergrundes wie unsichtbar angezogen, kreisen die Taucher um das Zentrum des Bildes. Jeglicher Schwerkraft enthoben, wirken sie gleichzeitig wie in der Luft fliegende Vögel. All ihres Ballastes entledigt, erscheinen die fröhlichen Taucher wie ein Symbol der Befreiung des Menschen von seinen irdischen Zwängen.

Neben der Serie der »Plongeurs« setzte sich Léger ab den 1930er Jahren bis zu seinem Tod 1955 auch in anderen Motivreihen immer wieder mit der Welt des Sports und dem verwandten Thema Zirkus auseinander. Hatten zuvor vom Kubismus geprägte Menschmaschinen seine Schilderungen der modernen Arbeitswelt dominiert, bevölkerten in den letzten Jahrzehnten seines Schaffens vor allem Akrobaten oder Radfahrer optimistische Darstellungen von Freizeitvergnügen und sportlichen Aktivitäten. Ähnlich den Taucherbildern fand der Franzose auch in diesen Werken zu einer Formensprache, die viele Entwicklungen innerhalb seiner Künstlerlaufbahn zu etwas Neuem und Unverwechselbarem verband. Anregungen durch Künstler des Kubismus und Futurismus mischen sich in ihnen mit fröhlich bunter Farbigkeit und stark betonten Konturen.

Wie Légers frühe Werke sind auch diese Arbeiten stets als Assemblagen von Einzelformen zu begreifen, bei denen Räumlichkeit erst durch das Aufschichten flacher Ebenen und deren Überlappungen erzeugt wird. Nachfolgende Künstlergenerationen ab den 1950er Jahren begeisterten sich wiederum vor allem an diesen späten, mitunter monumentale Ausmaße annehmenden Bildern des Franzosen. Aufgrund ihrer Leuchtkraft und Stilisierung der Form wurden diese heiteren Darstellungen, die in Mosaikform nun auch ganze Gebäudefassaden schmücken konnten, insbesondere von Vertretern der Pop Art als Vorbild gewählt.

Einstieg

At the outbreak of World War II Fernand Léger fled from France to the USA, settling in New York City, where he discovered a new range of topics for his painting. While his early Cubist works were dominated by abstract depictions of machines, Léger now seized on motifs of movement in multipart series: cyclists, dancers, and divers. In his New York works he continued to strive for a balance of line, color, and form.

In »The Divers« he shows us, viewed from above, a chaotic tangle of schematic bodies, curved areas of color, and undulating black lines. Physicality is implied through gentle color gradients, yet it is difficult to see where one body ends and another begins. Léger is fascinated by the apparent disorder of the swimmers, transforming them into a playful organicism in which color and form are liberated from natural models in order to develop their own delightful rhythm.

Hintergrund

In the port of Marseille in 1940, Fernand Léger made an observation, which would inspire a whole series of paintings and sketches. Immediately before embarking on his journey into exile in America, the gaze of the French painter and sculptor fell on some shipyard workers, who were splashing around in the Mediterranean Sea to cool off on a hot summer’s day. The artist was so fascinated by the light, flowing movements of their bodies in the water that, shortly afterwards, he began working on the translation of these impressions into painting.

Léger continued to vary the subject of the group of bathers through 1945, when he completed his series of »The Divers«. The painting owned by the Kunsthalle Mannheim, created in 1945, is the final version of these images of divers, all of which were created in the United States. As in the other representations of this subject, it is quite difficult at first for viewers to find their bearings. It seems as if a wildly swirling vortex has wrought havoc not only with the powerful body parts of the dense throng of divers. It is also almost impossible to make out where top and bottom lie in this portrait-format painting. The impression of a lack of direction and weightlessness is a result not only of the overlapping of the stencil-like figures of the swimmers, outlined in black. The large areas of pure colour and the resultant contrasts also contribute to the impression of movement surrounding the human bodies. As if attracted to the black areas of the background by an invisible force, the divers circle around the centre of the picture. Released from any sense of gravity, they seem, at the same time, like birds flying through the air. Freed from all ballast, these merry divers appear like a symbol of the liberation of mankind from earthly constraints.

In addition to the series of »The Divers«, Léger repeatedly focused his attention in other series, from the 1930s until his death in 1955, on the world of sports and the related subject of the circus. Whereas, before that time, his depictions of the modern world of work had been dominated by human machines displaying Cubist influences, during the last decades of his artistic career, his optimistic depictions of leisure pursuits and sporting activities were populated above all by acrobats and cyclists. In these works, as in the pictures of divers, the French artist also arrived at a formal language, which brought together many developments within his artistic career to create something new and inimitable. Ideas inspired by Cubist and Futurist artists are combined here with exuberant colour schemes and strongly accented contours.

Like Léger’s early works, these pictures can also be seen as assemblages of individual forms, in which the sense of space is created by the layering and overlapping of flat surfaces. From the 1950s onwards, later generations of artists were enthralled by Léger’s late paintings, some of which reached monumental dimensions. These merry pictures were also used in the form of mosaics to decorate the façades of entire buildings. Above all, thanks to their brilliance and their stylised forms, they also served as sources of inspiration for various Pop artists.

Multimedia
Audio file

Ein lebhaftes Getümmel. Ein Drunter und Drüber, bei dem sich nicht feststellen lässt welcher Fuß, welches Bein und welcher Arm zu wem gehört. In bunten Farben hat Fernand Léger die Eindrücke eines Schwimmbadbesuchs auf die Leinwand gebracht.

Das Werk ist eines von mehreren, die er mit „Taucher“ betitelt. Seine ersten Taucher hatte er in Marseille am Meer beobachtet und gemalt. Ein übersichtliches Motiv von fünf oder sechs Menschen – ganz im Gegensatz zu dem Gewimmel, das er jetzt in einem überfüllten Schwimmbad in den USA erlebt. Er bringt die Szene in summarischen, sich überlagernden Formen auf die Leinwand, bildet das Durcheinander ab, ohne in die Details zu gehen. Auf diese Weise entspricht die Darstellung viel mehr seiner Wahrnehmung. Er nimmt sich die Freiheit, die Farben so zu verteilen, die Leiber so zu formen, wie es für ihn stimmig ist. 

Diese Freiheit verbindet ihn mit Henri Laurens. Der um nur vier Jahre ältere Léger schätzte den Bildhauer sehr – und dieser den Maler. 1908 lernten sie sich in der legendären Pariser Künstlerkolonie La Ruche kennen.

Beide sind damals Revolutionäre auf ihrem Gebiet. Sie treiben die Moderne in der Kunst voran und vertiefen sich leidenschaftlich in den Kubismus. Obwohl der eine Maler, der andere Bildhauer ist, verläuft ihre weitere Entwicklung bis hinein ins Spätwerk beinahe parallel. Laurens geht ganz ins Volumen und auch Léger betont die runden und massiven Formen. Beide befassen sich intensiv mit der menschlichen Gestalt, formen daraus aber keine tiefgründigen Charaktere. Anstatt psychologische Studien zu betreiben, tauchen sie ein in die Lebendigkeit der Formen.

Leihgabe des Landes Baden-Württemberg seit 1963

© VG Bild-Kunst, Bonn 2018
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Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas

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