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Einstieg
In mehr als 1.000 Arbeiten beschäftigt sich Paul Klee mit botanischen Themen. Die Pflanzenwelt stellt für ihn nicht nur einen unerschöpflichen Vorrat an Motiven dar, sondern prägt auch seine Kunstauffassung. 1922 ist er seit zwei Jahren Lehrer am Weimarer Bauhaus und setzt sich intensiv mit den Grundlagen der Malerei auseinander.
Punkt, Linie und Fläche, Farbe und Kontrast werden für ihn zum Ausgangspunkt seiner theoretischen Überlegungen, was sich auch in der »Gartensiedlung« nachvollziehen lässt. Hier spannt er ein abstraktes Liniengerüst über einen fleckig gefärbten Grund. Die Zeichen, die diese Linienschrift hinterlässt, erinnern an Chiffren oder Symbole. Sie lassen aber auch an nebeneinanderliegende Gärten denken und damit an Elemente, die dem Natürlichen eine künstliche Ordnung verleihen.
Immer wieder erprobt Klee, der zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt, das Wechselspiel von künstlerischer und natürlicher Schöpfung. In seinen Form- und Farbexperimenten weist er dem Künstler eine Mittlerrolle zu: Dieser schöpft ebenso gesetzmäßig wie die Natur und verleiht dem Unkonkreten eine feste Form.
Einstieg
Paul Klee addressed botanical themes in more than 1,000 works. For Klee, the plant world not only represented an inexhaustible stock of motifs, but also shaped his conception of art. By 1922 he had already spent two years teaching at the Bauhaus in Weimar, engaging in an intensive exploration of the fundamentals of painting.
Point, line, space, color, and contrast now form the starting point of his theoretical considerations, which are also reflected in his »Garden Settlement«. In this painting, he stretches an abstract framework of lines over a background of mottled colors. The figures traced by this abstract calligraphy are reminiscent of ciphers or symbols, but they also recall a series of adjoining gardens, and with it, elements which lend the natural an artificial order.
Time and again Klee, one of the most important artists of the 20th century, explored the interplay between artistic and natural creation. In his experiments in form and color, he assigned the artist a mediating role: just like nature, he creates according to laws, lending the intangible a solid form.
Leihgabe des Landes Baden-Württemberg seit 1964
Transkription
"Gartensiedlung" nennt Paul Klee sein 1922 entstehendes Bild, das er mit Ölfarben auf eine mit Gips grundierte und mit Baumwollgaze überzogene Pappe setzt: Über einen fleckig gefärbten Grund aus unterschiedlich dunklen, warmen Rottönen, aus rot gesprenkeltem Cremeweiß und Grün spannt er ein abstraktes Liniengerüst. Einige Stellen dieses Gerüsts erinnern an Zahlen und Buchstaben, andere muten wie Symbole an. Die Linie sieht der 1879 im Schweizerischen Münchenbuchsee geborene Künstler als lebendiges, eigenständiges und wichtiges Element seines bildnerischen Schaffens. Ihre vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten beschreibt er 1918 in einem Aufsatz über Graphik, der die wichtigsten Grundgedanken seines künstlerischen Weltbildes enthält: "Setzen wir uns über den toten Punkt weg in Bewegung, die sei die erste Tat. (Linie). Bald wird Halt gemacht, um Atem zu holen. (Unterbrochenen oder, bei mehrmaligen Halt, gegliederte Linie): Sehen wir zurück, wie weit wir schon sind. (Gegenbewegung). Bleiben wir stehen und überlegen im Geiste die Wegen nach verschiedenen Seiten. (Linienbündel)." Weil für Klee die Linie das wichtigste Mittel formaler und inhaltlicher Darstellung ist, eben nicht die Farbe, sehen Sie kaum Grün in dieser "Gartensiedlung", denn - so Klee - "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar". Das Bild stiftet eine neue Wirklichkeit, es hat eine eigene Dimension der Realität. Diese Auffassung bringt ihn in Konflikt mit den neuen Machthabern in Deutschland: Wiewohl Klee zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt, gilt er den Nationalsozialisten als "entartet". Sie entlassen ihn 1933 aus seiner Professur an der Düsseldorfer Akademie und entfernen vier Jahre später seine Werke aus den deutschen Museen.