Gemeinfrei
(

Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas

)

Türkischer Frauenraub

Abduction of Turkish Women
1852

Eugène Delacroix

(1798-1863)

Material / Technik
Ölfarbe
textiler Bildträger
Kategorie des Exponats
Malerei
Gattung
Historienmalerei
Beschriftung / Signatur
Signatur: sign.u.r. "Eug. Delacroix"
Erwerbungsjahr
1910
Maße
54,00 cm x 65,50 cm
Standort

nicht ausgestellt

Einstieg

Eugène Delacroix füllt dieses kleinformatige Gemälde mit einem Höchstmaß an Energie. Die Figuren der verdichteten Gruppe sind eng verschlungen. Einander widerstrebende Körper, die in leuchtendrote Gewänder gehüllt sind, vermischen sich im Wirbel des Kampfes und steigern dabei die Dramatik der Szene. Das Motiv des Frauenraubs tritt auch in anderen Arbeiten des Malers auf, der von seinen Zeitgenossen zu einem Hauptvertreter der französischen Romantik erklärt wurde.

Es zeigt sein Interesse an der Darstellung existenzieller Not und führt uns ungeschönt Gewalt und Tod, Gefangenschaft und Widerstand vor Augen. Da sich Delacroix intensiv mit politischen Konflikten wie dem Freiheitskampf der Griechen gegen das Osmanische Reich (1821–32) beschäftigte und eine einprägsame Reise nach Marokko (1832) unternahm, finden sich häufig exotisch-orientalische Themen in seinen Werken. In diesem Alterswerk, das aufgrund des kleinen Formats und der skizzenhaften Ausführung ein Entwurf sein könnte, stehen sich Ohnmacht und Stärke, Widerstand und rücksichtslose Inbesitznahme unversöhnlich gegenüber.

Hintergrund

Die romantische Malerei in Frankreich mit ihren Hauptvertretern Eugène Delacroix und Théodore Géricault (1791–1824) war im Gegensatz zur deutschen Romantik charakterisiert durch exotische und dramatische Themen sowie einen malerischen und farbstarken Impetus. Besonders Delacroix verstand sich mit seiner leidenschaftlichen Malerei als Gegenspieler des Klassizisten Jean-Dominique Ingres (1780–1867).

Gleichzeitig machte ihn sein Interesse am Eigenwert der Farbe zum Vorläufer der Impressionisten. Das skizzenhafte Bild »Türkischer Frauenraub« ist beispielhaft für seinen dynamischen, in der Tradition barocker Malerei wurzelnden Stil. Die bühnenartige Diagonalkomposition ist voller divergierender Bewegungsrichtungen, welche die Dramatik des brutalen Geschehens unterstreichen. Die Thematik steht exemplarisch für den aufkommenden Orientalismus und geht auf Delacroix’ Orientreise von 1832 zurück, der sich auch die Lichtführung und die leuchtende Koloristik verdankt.

Einstieg

Eugène Delacroix has filled this small-format painting with a wealth of energy. The figures in the compact group are closely intertwined. Arrayed in bright red clothes, their struggling bodies merge in the turmoil of the fight, intensifying the scene’s dramatic qualities. The motif of bride capture appears in a number of the painter’s works, who was declared one of the main representatives of French Romanticism by his contemporaries.

It displays his interest in the depiction of existential hardship, candidly presenting us with a picture of violence and death, imprisonment and resistance. Exotic-oriental subjects appear frequently in the work of Delacroix, who took an intense interest in political conflicts such as the Greek War of Independence against the Ottoman Empire (1821–32) and undertook a memorable trip to Morocco (1832). In this late painting—its small format and sketch-like execution suggesting a draft—powerlessness and strength, resistance and ruthless appropriation are irreconcilably juxtaposed.

Hintergrund

In contrast to German Romanticism, Romantic painting in France – with Eugène Delacroix and Théodore Géricault (1791–1824) as its main representatives – was characterised by exotic and dramatic subjects and driven by an impetus that combined picturesque detail with strong colours. Delacroix in particular saw himself with his passionate painting as the very opposite of the classical artist, Jean-Dominique Ingres (1780–1867).

At the same time, his interest in the intrinsic value of colour made him one of the precursors of Impressionism. His sketch-like painting, »Abduction of Turkish Women«, is an example of his dynamic style, which has its roots in the Baroque painting tradition. The diagonal composition is built up like a stage and is full of diverging directions of movement, which help to underline the dramatic nature of the brutal event. The subject reflects the increasing interest in Orientalism and can be traced back to Delacroix’s journey to the Orient in 1832, to which the treatment of light and the brilliant colours can also be ascribed.

Creditline

Kunsthalle Mannheim

Inhalt und Themen
düster
bedrohlich
Gewalt
Menge
Verzweiflung
Entführung
Meer
Himmel
Sturm
Orient
Macht
Frau
Konflikt
Widerstand
Ohnmacht
Exotik
Figurengruppe
Enge
polychrom polychromatic
Grün
Rot
Multimedia
Audio file

Eine dunkel-bunte Woge rollt eine graue Steintreppe hinunter, so vermutlich Ihr erster Eindruck dieses kleinen Ölgemäldes, das Eugène Delacroix 1852 als skizzenhaften Entwurf anfertigt. Erst wenn Sie genauer hinsehen, entfaltet sich aus diesem Chaos der Leiber die Szene einer Entführung in ihrer ganzen Grausam- und Farbigkeit: Männer zerren Frauen eine Treppe hinunter zu einer Barke mit rosafarbenem Segel. Der vorderste trägt einen weißen Turban mit knallroter Troddel. Sein Säbel schimmert grünweißlich. In seinem Schatten bleibt das Gesicht des zweiten Mannes, der eine apathische Frau in hochrotem Kleid umfasst, beinahe verborgen. Der Dritte im Bunde hat sich ein Opfer über die linke Schulter geworfen. Ein Kind oder doch nur ein schreiend rotes Bündel presst er mit der Rechten fest an sich. Tritt er nach dem Mann, der bäuchlings auf die Stufen gestürzt ist? Delacroix interessiert die Hektik der Gewalt, in der die Einzelheiten der Vorgänge ununterscheidbar werden. Der vierte Entführer wuchtet eine schwarzgrau gewandete Rothaarige nach oben. Ein Blitz erhellt mit seinem Strahl die Szene und sorgt mit seinem stechenden Licht für die grellen Farbnuancen. Im Hintergrund wogt ein aufgewühltes Meer in Grün-, Grau- und Schwarztönen. Alles an diesem Werk des 54-jährigen Hauptvertreters der französischen Romantik atmet Hochspannung – angefangen bei der diagonalen Komposition, über die Komplementärkontraste bis hin zur überbordenden Farbgebung in der für den Künstler typischen lebhaften Pinselführung.

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