© Nolde Stiftung Seebüll
(

Kunsthalle Mannheim / Kathrin Schwab

)

Ferne Mädchen

Girls From Afar
1947

Emil Nolde

(1867-1956)

Material / Technik
Ölfarbe
textiler Bildträger
Kategorie des Exponats
Malerei
Gattung
Porträtmalerei
Beschriftung / Signatur
Signatur: u.r: Nolde.47.
Erwerbungsjahr
1952
Maße
68,60 cm x 89,60 cm
Standort

Hector-Bau > Ebene 2 > Schaudepot

Einstieg

Mehr noch als durch die vereinfachte Form ihrer Gesichter charakterisiert Emil Nolde die beiden Frauenfiguren durch die leuchtenden Farben ihrer Kleider. Nolde zeigt beide Figuren im Profil, doch obwohl sie Schulter an Schulter stehen, bleibt die räumliche Situation der Szene unbestimmt. Breite schwarze Linien rahmen die Gesichter der Frauen, wobei sich die Farbgebung ihrer Haut kaum von den Brauntönen der Umgebung unterscheidet. Umso intensiver strahlen die Farben ihrer Kleider.

Im Titel klingt die Exotik dieser Szene an, die einen realen Hintergrund besitzt. Emil Nolde, der sich wie viele expressionistische Künstler für die Werke der Kulturen Afrikas und Asiens interessierte, unternahm zwischen 1913 und 1914 eine Reise in die Südsee. Noch Jahrzehnte später leben die Eindrücke dieser Reise wieder auf – wie hier gehüllt in eine expressive Farbigkeit.

Hintergrund

In leuchtenden Farben und mit einer reduzierten schwarzen Kontur umrissen zeigt Emil Nolde zwei Frauenfiguren im Profil. Wie im Titel des Gemäldes angesprochen bleibt der Ort der Szene unbestimmt. Nolde unternahm zwischen 1913 und 1914 eine Reise in die Südsee und fand, wie viele andere Vertreter*innen der expressionistischen Malerei, in außereuropäischen Kulturen Inspirationsquellen auf der Suche nach einem gesteigerten Ausdruck, nach Ursprünglichkeit und einer expressiven Farbigkeit. Doch handelt es sich bei der Darstellung der beiden Unbekannten um individuelle Porträts oder um eine Stilisierung des für den Künstler „Fernen“ und vermeintlich „Fremden“?
Noldes Rolle und Identität als Künstler wirft ebenso Fragen auf. Fast unvereinbar erscheint die Tatsache, dass zahlreiche seiner Arbeiten während der NS-Zeit nicht nur beschlagnahmt, sondern auch prominent in den Propaganda-Ausstellungen der sog. „entarteten Kunst“ gezeigt wurden und er gleichzeitig Parteimitglied der NSDAP war. Bis Kriegsende vertrat der Künstler antisemitische, der NS-Ideologie nahe stehende Ansichten. Nolde gilt in der westlichen Kunstgeschichtsschreibung als wichtiger Wegbereiter der expressionistischen Malerei. Die Frage, ob Kunstwerk und Künstler getrennt voneinander betrachtet werden können, muss daher stets aufs Neue hinterfragt werden.

Einstieg

More than the simplified forms of their faces, it is the bright colors of their clothing that Nolde employs to characterize the two female figures. Although the artist depicts both figures in profile, standing shoulder to shoulder, the scene’s spatial situation remains vague. Broad black lines frame the women’s faces, while the color of their skin barely differs from the brown tones of their surroundings. This lends the colors of their dresses an even greater intensity.

The title reflects the scene’s exoticism, which has a real history. Emil Nolde, who like many Expressionist artists was interested in the art of African and Asian cultures, undertook a journey to the South Seas between 1913 and 1914. Decades later the impressions from this journey come to life again, cloaked—as they are here—in an expressive play of color.

Hintergrund

Emil Nolde depicts two female figures in profile, executed in bright colors and with a reduced black outline. As indicated by the painting’s title, the location of the scene remains indeterminate. Nolde undertook a journey to the South Seas between 1913 and 1914 where, like many other representatives of Expressionist painting, he found a source of inspiration in non-European cultures in his search for heightened imagery, primitive authenticity and an expressive use of color. However, is the depiction of the two unknown women meant as a portrait of individuals or a stylization of, for the artist, “remote” and supposedly “foreign”?
Nolde’s role and identity as an artist raises precisely such questions. The fact that numerous of his works where not just confiscated during the Nazi period but were prominently displayed in the propaganda exhibitions of so-called “degenerate art”, appears virtually irreconcilable with his membership of the NSDAP. Up until the end of the war the artist held anti-Semitic views closely aligned with Nazi ideology. In the history of Western art Nolde is considered an important pioneer of Expressionist painting. Consequently, the question of whether the artist and his works can be considered separately must be continually re-examined.

Creditline

Kunsthalle Mannheim

Inhalt und Themen
Doppelporträt
Farbkontrast
Kleidung
Frau
Erinnerung
Expressionismus
Figurenpaar
Profil
polychrom polychromatic
Orange (Farbe)
pink Rosa
Reise
Multimedia
Audio file

Eine junge Frau im roten Oberteil mit einer ausgefallenen rosaroten Kopfbedeckung steht hinter einer zweiten jungen Frau. Die schmückt ein ausgefallener schwarzer Hut mit grünem Band, blauem Nackenschutz und rosafarbenen Aufputz. Beide Büsten fasst eine breite, grauschwarze Kontur ein. Mit ihr trennt der Maler Emil Nolde das Profil der hinteren Frau vom gelb-orangefarbenen Hintergrund. In der Tiefe des Bildes deutet er mit flächigen Grau- und Grüntönen eine naturhafte Umgebung an. Klare und einfache Formen bestimmen das Bild. Seine Farbigkeit ist expressiv, der Wirklichkeit kaum verpflichtet. Das Motiv mit den beiden Mädchenbüsten geht auf eines der „ungemalten Bilder“ zurück, die Nolde ab 1941 angefertigt hat. Schritt für Schritt hatten die Nationalsozialisten den 1867 als Hans Emil Hansen in der Provinz Schleswig-Holstein geborenen Maler und Grafiker entrechtet: Aus der Preußischen Akademie der Künste, wohin er 1931 berufen worden war, hatten sie ihn entlassen. 48 seiner Bilder hatten sie 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt,1102 seiner Werke aus deutschen Museen beschlagnahmt. Nolde, der in den 1930er-Jahren dennoch überzeugter Nationalsozialist ist, Max Pechstein bei den Behörden als Juden denunziert und 1934 Mitglied der Nationalsozialistischen Arbeitsgemeinschaft Nordschleswig wurde, kann mit seinen Bittbriefen nichts dagegen ausrichten. Im August 1941 untersagt die Reichskammer der Bildenden Künste ihm den weiteren Verkauf von Bildern. Nolde malt, so seine Biographie, aus der er nach Kriegsende alle antisemitischen Äußerungen sorgfältig streicht, kleine Aquarellvorlagen für spätere Ölgemälde wie dieses. „Ferne Mädchen“ verweist auf außereuropäische Kulturen und ist vermutlich eine Erinnerung an die Expedition des Künstlers nach Neu-Guinea, die er 1913–1914 unternommen hatte.

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