Gemeinfrei
(

Kunsthalle Mannheim / Cem Yücetas

)

Porte de l'enfer

Höllentor
Gates of Hell
1880 - 1881

Auguste Rodin

(1840-1917)

Material / Technik
Bronze
Sandguss
Kategorie des Exponats
Skulptur
Beschriftung / Signatur
Signatur: bez. auf dem Bronzerahmen links "E. GODARD Fondr" [r ist hochgestellt und unterstrichen], rechts "© MUSEE Rodin 1992 No II/IV" [o ist hochgestellt und 2-fach unterstrichen].
Erwerbungsjahr
1992
Maße
110,00 cm x 74,50 cm x 29,00 cm
Standort

nicht ausgestellt

Einstieg

Auguste Rodin arbeitete von 1880 bis zu seinem Tod 1917 am »Höllentor«, das für ihn ein plastisches Experimentierfeld und sein Hauptwerk werden sollte. Der Bronzeguss der Kunsthalle basiert auf dem dritten Modell des Tores (1880) und deutet dessen spätere Gestalt bereits an. Ausgangspunkt ist die Höllendarstellung aus Dante Alighieris (1265-1321) »Göttlicher Komödie« (1321). In ihr hat der italienische Dichter die Tiefen menschlicher Existenz – Sterblichkeit, Verzweiflung, Sehnsucht und Verlust – in ihrer ganzen emotionalen Breite inszeniert. Rodin verschränkt in seiner Bearbeitung des Themas eine Vielzahl von Figuren – anfangs waren mehr als einhundert geplant. Im Laufe der Jahre verteilte er sie immer wieder neu auf den Türflügeln und dem Portalrahmen. Das Modell veranschaulicht Rodins spontane Arbeitsweise, deutet einen wesentlichen Bestandteil seines Werks aber nur an: die dramatisch bewegten Körper nämlich, die zum Ausdruck seelischer Zustände werden. Was hier als Entwurf vorhanden ist, wird später minutiös ausgearbeitet. Darunter auch die zentrale Figur des »Denkers«, der ernst über dem Geschehen thront und eine der bekanntesten Einzelskulpturen Rodins ist.

Hintergrund

Das 1880 begonnene »Höllentor« bildet das Opus Magnum im Gesamtwerk des französischen Bildhauers Auguste Rodin. Bei dem über sechs Meter hohen Bronzeportal handelt es sich um einen Auftrag des französischen Staates für das Pariser Musée des Arts Décoratifs, der nie realisiert wurde. Die Höllenpforte entwickelte sich in einem mehr als 30 Jahre währenden Schaffensprozess zu einer autonomen, zweckfreien Skulptur, von der die Kunsthalle ein kleines Studienmodell besitzt.

In diesem dritten und vermutlich letzten Entwurf zu dem Großprojekt experimentierte Rodin an der räumlichen Gliederung des Tors und klärte die Gesamtkomposition der Figurengruppen. Zunächst in Ton modelliert, dann in Gips abgeformt und schließlich posthum in Bronze gegossen, veranschaulicht die lebenslange, experimentelle Arbeit am Höllentor eine Synthese der Bildhauerei Rodins. Von ihm selbst als „Arche Noah“ bezeichnet, erwuchs daraus ein unerschöpfliches Sammelbecken von mehr als 200 Skulpturen, die er mehrfach als Einzelfiguren isolierte und in anderen Zusammenhängen sowie in unterschiedlichen Stadien der Ausformung variierte, wie »Der Denker«, »Der Kuß« oder »Die Drei Schatten«.

Im Kontext der Jahrhundertwende zählt das »Höllentor« zu den Bilderzyklen, Dichtungen und musikalischen Kompositionen, die nach der Säkularisation im 19. Jahrhundert religiös-christliche Darstellungen ablösten. Mit ihm schuf Rodin ein säkularisiertes Jüngstes Gericht und dauerhaftes Symbol menschlicher Existenz. Ausgehend von Dantes »Göttlicher Komödie« vermittelt die »Porte de l’enfer« den Eindruck des strudelnden Fallens und Stürzens der Figuren, der menschlichen Melancholie und Verzweiflung.

„Aber die Bewegungen, die er in den Worten des Dichters fand, gehörten einer anderen Zeit; sie erweckten in dem Schaffenden, der sie auferstehen ließ, das Wissen von tausend anderen Gebärden, Gebärden des Greifens, Verlierens, Leidens und Lassens, die inzwischen entstanden waren, und seine Hände, die keine Ermüdung kannten, gingen weiter und weiter, über die Welt des Florentiners hinaus zu immer neuen Gesten und Gestalten“, schrieb Rainer Maria Rilke 1903 über das noch unvollendete Lebenswerk Rodins.

Der Künstler, dessen bildhauerisches Werk formal und inhaltlich von der Romantik über den Symbolismus bis zum Impressionismus reicht, bezeichnete sich selbst als „Brücke, welche die beiden Ufer Vergangenheit und Gegenwart verbindet“. In der Verselbständigung der künstlerischen Mittel und durch die innovative Schaffensweise, die sich aus der Arbeit am »Höllentor« entwickelte, kommt Auguste Rodin programmatische Bedeutung als Wegbereiter der modernen Bildhauerei zu.

Einstieg

Auguste Rodin worked on the »Gates of Hell« from 1880 until his death in 1917. It would serve as a sculptural field of experiment for the artist and become his magnum opus. The bronze cast in the possession of the Kunsthalle is based on the third model of the gate (1880) and already points to its later form. The starting point is Dante Alighieri’s (1265–1321) depiction of hell in his »Divine Comedy«, in which the Italian poet staged the depths of human existence—mortality, despair, longing, and loss—in all their emotional breadth. In his treatment of the theme, Rodin interlaces a plethora of figures—originally numbering more than one hundred—which over the years he distributed across the wings of the door and the portal frame in varying combinations. This model displays Rodin’s spontaneous working method, but provides only a mere indication of a major component of his work: namely the dramatically moving bodies, which would become expressions of emotional states. What exists here in draft form would subsequently be worked out in minute detail, including the central figure of »The Thinker«, who reigns gravely over events and is one of Rodin’s most famous individual sculptures.

Hintergrund

The »Gates of Hell«, begun in 1880, is the opus magnum within the oeuvre of the French sculptor Auguste Rodin. The bronze portal is six metres high and was commissioned by the French state for the Musée des Arts Décoratifs in Paris, but was never realised. During a creative process which lasted for more than 30 years, the Gates of Hell developed into an autonomous, pure sculpture, for which the Kunsthalle Mannheim possesses a small study model.

In this third and probably final model for the large-scale project, Rodin experimented with the spatial arrangement of the gates and clarified the overall composition of the groups of figures. Modelled originally in clay, then formed in plaster and finally cast in bronze after Rodin’s death, this lifelong experimental work on the Gates of Hell demonstrates a synthesis of Rodin’s sculpture. The artist himself described it as a “Noah’s Ark”, from which a never-ending reservoir of more than 200 sculptures developed, which he isolated as single figures on a number of occasions, varying them in other contexts and in various stages of execution, including »The Thinker«, »The Kiss« and »The Three Shades«.

Within the context of the turn of the century, the »Gates of Hell« belongs to those picture cycles, poems and musical compositions which replaced Christian representations following the secularisation during the nineteenth century. In this work, Rodin created a secular Last Judgement and a permanent symbol of human existence. Based on Dante’s »Divine Comedy«, the Porte de l’enfer conveys the impression of the whirling, falling and plunging of the figures, human melancholy and despair.

“But the movements which he found in the words of the poet belonged to another time; they aroused in the creative artist, who resurrected them, the knowledge of a thousand other gestures – gestures of clutching, losing, suffering and letting go – which had arisen since, and his hands, which knew no fatigue, went on and on, beyond the world of the Florentine poet to ever-new gestures and forms”, Rainer Maria Rilke wrote in 1903 about Rodin’s then still-unfinished life’s work.

Rodin, whose sculptural work extends both formally and with regard to content from Romanticism to Symbolism and Impressionism, described himself as a “bridge linking the two banks of the past and the present”. In the independent development of the artistic means and through his innovative creative approach, which developed out of the work on the »Gates of Hell«, Auguste Rodin acquires programmatic importance as a forerunner of modern sculpture.

Creditline

Leihgabe des Förderkreises für die Kunsthalle Mannheim e.V. seit 1992; erworben aus Spenden der Mitglieder mit besonderer Unterstützung von Gasversorgung Süddeutschland GmbH, Stuttgart; Badischer Sparkassen- und Giroverband, Mannheim; ÖVA-Versicherungen, Mannheim; Fuchs Petrolub AG, Mannheim; Gisela und Hermann Freudenberg, Weinheim an der Bergstraße; Hans Joachim Deckert, Köln

Inhalt und Themen
Schwarz
Hölle
Tür
Architektur
Dante Alighieri (1265-1321)
Tod
Verzweiflung
Sehnsucht
Trauer
Bewegung
bedrohlich
düster
Religion, Mythos und Phantastik
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